Die Abendgesellschaft

des Münsterischen Zoos

Hermann Landois, der "unwiese Professor", hatte in der Provinzialhauptstadt des Münsterlandes im Februar 1874 einen Zoo gegründet und im Frühling 1875 feierlich eröffnet. Bei allem Fleiß und aller Initiative flossen ihm aber nicht die Mittel zu, die er für den weiteren Ausbau und die Besetzung seines Tiergartens nötig hatte, denn die Unterhaltung des jungen Unternehmens verschlang ungeheure Summen. So hatte der Professor immer und immer wieder Geld nötig. In seiner Originalität uns Schalkhaftigkeit verschaffte er sich die Mittel für seinen Zoo oft auf die drolligste Weise. An einem Herbstabend des Jahres 1875 saß er einmal mit seinen Freunden am Stammtisch beim Skat, als der junge Zoodirektor plötzlich auf den Einfall kam, den gesamten Erlös der Spiele für die Anschaffung eines Affen für seinen Zoo zu verwenden. Man stimmte begeistert zu, und so kamen seine Vertrauten zweimal in der Woche zusammen und spielten "für den Affen"! Mit diesem Vorsatz war die ebenso bekannte wie berühmte Abendgesellschaft des Westfälischen Zoologischen Gartens gegründet, eine Vereinigung, die in der Folgezeit viel von sich reden machte und noch heute einzig und einmalig in der ganzen Welt dastehen dürfte. Getreue Freunde und Idealisten, die sich dem Professor Landois verschrieben hatten, sahen ihre größte Aufgabe in dem streben, ihre freie Zeit in den Dienst des Münsterischen Zoos zu stellen. Aber das Geld wollte nicht fließen, denn in ihren Reihen befand sich kein wohlhabender oder begüterter Bürger. Da kam Landois im Jahre 1881 auf eine Idee. Männer aus den Reihen der Abendgesellschaft hatten ein aktuelles Bühnenstück in westfälischer Mundart geschrieben, und Männer aus ihren Reihen, lauter Laien, gingen auf die Bretter und führten das Stück auf. Eine besonders originelle Note trugen die Aufführungen, weil auch die weiblichen Rollen durch männliche Kräfte besetzt waren. Das Publikum raste vor Begeisterung. Durch diesen überraschenden Erfolg ermutigt, setzten sich die Hausdichter der Abendgesellschaft abermals an den Schreibtisch, und fast in jedem Jahr ging ein neues Stück mit bestem Erfolg über die Bretter, so dass das Geld dem sich schnell weiter entwickelnden Zoo reichlich zufloss.

Dieses heimatliche, herzhafte Volkstheater mit dem possenhaften Aufbau und den witzigen Einfällen hat viel dazu beigetragen, die plattdeutsche Sprache und Art in einer Zeit des drohenden Niederganges zu erhalten und zu festigen. Das Theaterspiel der Abendgesellschaft erhob keinen Anspruch auf künstlerische Vollendung, aber ihre Darbietung sollte etwas Besonderes und Eigenartiges sein, und diese außergewöhnliche Art ihres Wirkens hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten, denn die Abendgesellschaft hat dem Zoo die Treue bewahrt.